Der Oberste Gerichtshof – die oberste Instanz in Zivil- und in Strafsachen
Oberste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit
Der Oberste Gerichtshof ist die oberste Instanz in Zivil- und in Strafsachen und somit das oberste Organ der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Österreich.
Es wäre verfassungsrechtlich unzulässig, in Zivil- oder in Strafsachen nach dem Obersten Gerichtshof eine weitere Instanz einzurichten.
Kontrollaufgabe
Der Oberste Gerichtshof überprüft Entscheidungen von Oberlandesgerichten und Landesgerichten sowie, wenn es die Generalprokuratur (staatsanwaltschaftliche Behörde beim Obersten Gerichtshof) beantragt, strafrechtliche Entscheidungen von Bezirksgerichten.
- In Zivilsachen überprüft er Urteile und Beschlüsse der Gerichte zweiter Instanz (Oberlandesgerichte und Landesgerichte).
- In Strafsachen entscheidet der Oberste Gerichtshof vor allem über Nichtigkeitsbeschwerden und damit verbundene Berufungen, Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes, Grundrechtsbeschwerden und Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens.
Leitfunktion
Der Oberste Gerichtshof hat eine Leitfunktion: Auch wenn seine Entscheidungen für andere Verfahren als das konkrete Anlassverfahren rechtlich nicht bindend sind, halten sich die vorinstanzlichen Gerichte in aller Regel daran. Somit trägt er zu einheitlicher Rechtsanwendung bei.
Senate
Der Oberste Gerichtshof entscheidet sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen in Senaten und zwar, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, in so
genannten einfachen Senaten. Diese setzen sich aus dem/der Vorsitzenden und vier weiteren Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs zusammen. Derzeit
bestehen beim Obersten Gerichtshof zwölf Senate im Zivilrechtsbereich (davon ein Senat als Kartellobergericht) und sechs Senate in Strafsachen.
Weitere Aufgaben des Obersten Gerichtshofs
- Er gibt laufend Stellungnahme zu Gesetzesentwürfen ab – zu diesem Zweck sind fünf Begutachtungssenate eingerichtet.
- Er ist letztinstanzliches Dienst- und Disziplinargericht für Richter und auch letzte Instanz in Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte und Notare.
Unterscheidung zwischen dem Obersten Gerichtshof, dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof
- Der Oberste Gerichtshof ist oberste Instanz in Zivil- und in Strafsachen und damit das oberste Organ der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
- Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Gesetzmäßigkeit von Bescheiden und bietet Rechtsschutz gegen die Untätigkeit der Verwaltung.
- Der Verfassungsgerichtshof hat unterschiedliche Kompetenzen: Diese reichen von der Prüfung von Gesetzen und Verordnungen auf ihre Verfassungs- bzw Gesetzmäßigkeit bis zur Bescheidprüfung, von der Entscheidung bestimmter Zuständigkeitsstreitigkeiten bis hin zur Lösung von Finanzausgleichsstreitigkeiten und von der Kontrolle von Wahlen bis hin zur rechtlichen Kontrolle oberster Verwaltungsorgane.
In Österreich besteht damit ein ausgewogenes System von drei Höchstgerichten.
Zugang zu Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs
Sämtliche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs sind im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) im Volltext und in Form von Rechtssätzen kostenlos unter www.ris.bka.gv.at/jus/ abrufbar.
Der Oberste Gerichtshof – historischer Abriss
1848
Als geschichtliche Geburtsstunde des Obersten Gerichtshofs gilt der Justiz-Ministerial-Erlass vom 21. August 1848.
1850
Mit dem kaiserlichem Patent vom 7. August 1850 wurde das Gesetz "über die Organisation des obersten Gerichts- und Kassationshofes in Wien" erlassen. Die territoriale Zuständigkeit erstreckte sich damals auf sämtliche Kronländer und umfasste 19 Oberlandesgerichtssprengel.
1867
Mit dem im Zug der Dezemberverfassung im Jahr 1867 beschlossenen Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt wurde der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung auf allen Ebenen verwirklicht und in der Folge jene Gerichtsorganisation hergestellt, die im Wesentlichen heute noch gilt.
1920
Endgültig verfassungsrechtlich abgesichert wurde der Oberste Gerichtshof durch Art 92 Abs 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes von 1920, wobei sich sein Wirkungsbereich damals auf drei Oberlandesgerichtgerichts-Sprengel, nämlich Wien, Graz und Innsbruck, erstreckte (Linz kam als viertes Oberlandesgericht am 1. April 1939 dazu).
1927
Als der Justizpalast am 15. Juli 1927 in Brand stand, wurde ein Großteil der Räumlichkeiten des Obersten Gerichtshofs zerstört. Aus diesem Grund musste der Oberste Gerichtshof übergangsweise in Räumlichkeiten in der Herrengasse 17 übersiedeln. Anfang der 30er Jahre konnte die Rückkehr in den Justizpalast erfolgen.
1939 – 1945
Während des Zweiten Weltkrieges musste der Oberste Gerichtshof seine Tätigkeit einstellen, sodass er seinen Aufgaben in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht nachkommen konnte.
1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1945 und der Gründung der Zweiten Republik wurde das davor bestehende Rechtssystem wieder hergestellt.
1969
Am 1. Jänner 1969 trat das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof in Kraft, das die heutige Rechtsgrundlage für die Organisation des Obersten Gerichtshofs bildet.
Personalia
Präsident Hon.-Prof. Dr. Eckart Ratz (seit 1. Jänner 2012)
Vizepräsident, Vizepräsidentin
Prof. Dr. Anton Spenling und Dr. Elisabeth Lovrek
Richterliches Gremium
60 Mitglieder (der Präsident, ein Vizepräsident, eine Vizepräsidentin, 13 Senatspräsidenten sowie 19 Hofrätinnen und 26 Hofräte)
Evidenzbüro
9 RichterInnen und 4 RichteramtsanwärterInnen
Weitere MitarbeiterInnen
35 nichtrichterliche Bedienstete
Geschäftsverteilung
12 Senate im Zivilrechtsbereich und 6 Senate in Strafsachen, weiters Senate für Disziplinarsachen von Richtern, Rechtsanwälten und Notaren
Verfahren
Durchschnittliche Dauer eines Verfahrens beim Obersten Gerichtshof
3,4 Monate
Zahl der Fälle am Obersten Gerichtshof pro Jahr
Rund 2.900 Rechtsmittel in Zivilsachen, 800 Rechtsmittel und Rechtsbehelfe in Strafsachen
Standort und Anschrift, Telefon 1011 Wien, Schmerlingplatz 11, Justizpalast +43 1 52 1 52 – 0
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